Meiner Neugierde für Bildungsthemen und dem Kinofilm Alphabet verdanke ich meine Bekanntschaft mit Arno Stern. Denn am gleichen Abend noch meldete ich mich für sein Seminar in Paris an. In meiner Ausbildung lernte ich die Gesetzmäßigkeiten der Formulation, den Malort und seine Spielregeln kennen, befreite mich von allem Pathologisieren, Bestaunen, Belehren oder Deuten und möchte nun dazu beitragen, mehr Kindern die Erfahrung des Malortes zu ermöglichen.
Seit dem Kinostart von Alphabet im Herbst 2013 sind die Weiterbildungen im Malort in Paris weithin ausgebucht. Der Filmemacher Erwin Wagenhöfer porträtiert weltweit Menschen, die für ein neues Bildungsverständnis stehen. Darunter Sir Ken Robinson, Yang Dongping, Professor in Beijing und Leiter der staatlichen Organisation “Bildung des 21. Jahrhunderts”, Gerald Hüter, Professor für Neurobiologe in der Neurobiologischen Präventionsforschung der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und den Forscher Arno Stern.
Arno Stern ist Entdecker der Formulation. Damit beschreibt er das bis dato in der Menscheitsgeschichte nicht beachtete Phänomen, der natürlichen Entwicklung des Selbstausdrucks. Die Formulation erfordert keine Begabung und schließt niemanden aus. Die natürliche und spontane Ausdrucksweise, in bestimmten festgelegten Entwicklungsstufen, ist bei allen Menschen unabhängig von kulturellen Prägungen gleich. Es entstehen Erstfiguren, die wir als Unwissende im allgemeinen als Gekritzel bezeichnen und Hauptfiguren, die Erwachsene als künstlerisch unzulänglich werten und verbessern.
Mit dem Malort, erschafft Arno Stern einen Raum, der die optimalen Bedingungen für die Äußerungen darstellt. Ein Raum, der Geborgenheit gibt, in dem die Vernunft überschritten werden und das Spontane aufleben kann. Alles was hier entsteht bleibt im Malort. Über 500.000 Bilder hat Arno Stern während seines über 50 jährigen Wirkens archiviert und erforscht. Ich selber habe während des Seminars 7.000 dieser Bilder gesehen.
Das was im Malort geschieht nennt er Malspiel. Dieses Spiel erfolgt nach festen Spielregeln. Für Erwachsene sind die strengen Regeln gewöhnungsbedürftig. Kinder nehmen sie schnell an, denn sie sind wichtig für die Konzentration und Fokussierung auf eine Tätigkeit. Zu jedem Malspiel, das 90 Minuten dauert, finden sich auf einem Raum von etwa 20 Quadratmetern bis zu 15 Personen in gemischten Gruppen ein. Hier können sie ohne Vorbild, ohne Belehrung, ohne Meister ihrer inneren Spur Ausdruck verleihen. Sie werden dabei von einem Dienenden unterstützt. Die dienende Person im Malort sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Sie führt in die Spielregeln ein, achtet auf deren Einhaltung und ermöglicht es den Malspielenden, sich ganz auf sich und das Malspiel zu konzentrieren.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters nominierte auf Vorschlag der Deutschen Filmakademie den Dokumentarfilm Alphabet für den Deutschen Filmpreis. Der Malort und die Reformierung der Bildung werden in wenigen Tagen noch mehr Aufmerksamkeit gewinnen.