Blockchain & Kultur

In diesem Beitrag befasse ich mit der Entwicklung der Blockhain Technologie und gehe der Frage nach, welche Anwendungsmöglichkeiten sich in der Kultur ergeben. Der Text ist in gekürzter Fassung erschienen in: Kulturpolitische Mitteilungen Heft 162, 20 Jahre Bundeskulturpolitik

Die Dynamik der Entwicklung

Seit 2008 gibt es die Blockchain als dezentral organisiertes, digitales Verfahren, mit dem Transaktionen lückenlos, sicher und direkt durchgeführt werden können. Bis vor kurzem existierte das Thema nur in der außereuropäischen Entwicklerszene und in Fachzeitschriften. Mittlerweile verbreitet sich das Wissen um die Digitaltechnologie und ihre Anwendungen exponentiell. An der auf Blockchain-basierten Vertragsplattform „Ethereum“ arbeiten bereits 200.000 Programmierer (1), Blockchain-Webinare mutieren zu virtuellen Massenevents (2). Auch jenseits der Fachmedien liest man immer häufiger von der technologischen Revolution, und von sich seit dem Vorjahr verdoppelten Investitionssummen (3) Prototypen und Anwendungsszenarien finden sich in allen Branchen und Sektoren – mit durchaus gesellschaftsveränderndem Potential, auch für die Kultur.

„Um die Blockchain Technologie zu nutzen ist kein Bankkonto erforderlich, kein Nachweis der Staatsbürgerschaft, keine Geburtsurkunde, keine Anschrift und keine Landeswährung.“ (4)

Die Blockchain Technologie ermöglicht Transaktionen, bei denen Daten, Werte, Rechte, Eigentumstitel oder Ereignisse sicher und effizient übertragen werden können. Das Besondere ist, dass keine Mittler benötigt werden, die die Integrität garantieren. Durch die Prinzipien der Autonomie, Partizipation und Dezentralisierung sowie gesteigerte Transparenz und Sicherheit werden Transaktionen grundlegend verändert und Transaktionskosten minimiert.

Die Funktionsweise der Blockchain Technologie

Bei der Blockchain handelt es sich um einen Informationsverarbeitungsprozess, in dem Transaktionen mittels kryptographischer Verfahren in Datenblöcke und diese wiederum zu Ketten verbunden werden. Die Generierung eines neuen Blocks erfolgt mittels einer komplexen Rechenaufgabe in einem dezentralen Peer-to-Peer Netzwerk aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger Einzelrechner. Hier kommt das Wettkampfelement ins Spiel: Die Aufgabe können nur bestimmte Teilnehmer*innen mit hoher Rechenleistung lösen. Wenn die Blockerstellung abgeschlossen ist, wird der Block an alle im Netzwerk Beteiligten gesendet, verifiziert und angefügt. Entlohnt wird, wem dies am schnellsten gelingt.

Prinzipiell kann jede*r mit der entsprechenden Rechnerleistung eine Kopie der gesamten Blockchain auf seinem Rechner speichern. Die eindeutigen Nutzeridentifikationen und Zuordnungen von Transaktionen erfolgt über private und öffentliche Schlüssel. Die Blöcke wiederum erhalten eindeutige Codes, auf den sich der jeweils nachfolgende Block bezieht. Die Grundidee liegt darin, Misstrauen als Potenzial einzusetzen. Man ist nicht mehr auf die Vertrauenswürdigkeit von mächtigen  angewiesen, weil die unveränderbare Gesamtinformation kollaborativ und dezentral gespeichert wird: Die Souveränität der einzelnen Teilnehmer*innen über ihre Daten wird gestärkt und dadurch wiederum das gesamte Netzwerk. Dank des Open-Source-Ansatzes kann man vorhandene Blockchains nutzen, weiterentwickeln oder neue initiieren.

Blockchain Anwendungen

Die Technologie ermöglicht den Wandel zu dezentralen Strukturen. Zwischenzeitlich lassen sich mit öffentlich, privat oder konsortial organisierten Blockchains nicht nur einzelne Transaktionen durchführen, sondern Verträge automatisiert erfüllen, dezentrale Applikationen fahren und dezentrale automatisierte Organisationen aufbauen: In einer Struktur ähnlich einer virtuellen Genossenschaft sorgt kollektive Intelligenz für Transparenz, Konsensfindung und Kollaboration jenseits traditioneller Strukturen, Hierarchien und Machtkonzentrationen. Dies fordert die noch gar nicht so alte Plattformökonomie heraus, bei der ganz wenige Anbieter*innen ihre Dienstleistungen zentral verwalten und mit ihrem enormen Volumen an Kundendaten hohe Vermögenswerte generieren.

Die erste breite Anwendung waren die Kryptowährungen. Trotz geringer faktischer Akzeptanz als Zahlungsmittel und der Bildung einer Spekulationsblase zeigte sich ihr Umwälzungspotenzial: Da Banken in ihrer bisherigen Form überflüssig werden könnten, sind es die Platzhirsche der Finanzbranche, die plötzlich größtes Interesse. Vier große Automobilhersteller zogen mit der Mobility-Open-Blockchain-Initiative (MOBI) nach. Im gemeinnützigen Sektor gibt es vielversprechende Ansätze: UNICEF und Greenpeace organisieren Fundraising, andere Organisationen vernetzten Fördergelder und Mittelempfänger auf direktem Weg. In der öffentlichen Verwaltung ist Estland Vorreiter bei der Verankerung der Technologie in sensiblen Government Prozessen wie Grundbucheintragungen oder die Führung von Krankenakten (5).

Die Europäische Kommission hat die umfassende Studie „Blockchain in Education“ beauftragt, um das Potenzial und die Risiken der Blockchain Technologie für den Bildungssektor darzustellen. Die Autor*innen kommen unter anderem zu dem Schluss, dass sie genau dann sinnvoll genutzt werden kann, wenn bereits im Vorfeld länderübergreifende Standards definiert werden. Aufgrund der Entwicklungsdynamik lautet die Empfehlung, strategische Public-Private-Partnerships einzugehen. Praktische Anwendung kann die Blockchain-Technologie bei papierlosen Zertifikaten zum Qualifikationsnachweis wie auch für wissenschaftliche Veröffentlichungen finden (6).

Anwendungen im Kulturbereich

Viele der bereits erwähnten Anwendungen lassen sich auf den Kulturbereich übertragen, für Künstler*innen, Institutionen und mit gesamtgesellschaftlicher Wirkung. Dort wo geistiges Eigentum entsteht, versprechen Blockchain-basierte Zertifikate einen eindeutigen Nachweis der Urheberschaft und somit eine unmittelbare Wertschöpfung. Musiker*innen können unmittelbar mit ihren Abnehmer*innen Austauschbeziehungen organisieren, und die Blockchain bietet die Basis für eine Rechte-Clearing-Stelle (7). Neue Anbieter*innen ermöglichen es Künstler*innen, mittels digitaler Zertifikate ihre Kunstwerke oder Lizenzen in Datenbanken zu registrieren (8). 2017 wurde der erste Kinofilm mit Kryptowährung finanziert (9). Im Bereich der bildenden Kunst entstehen Möglichkeiten, Provenienz, Zustand, Besitzverhältnisse und Werte von Kunstwerken nachvollziehbar zu machen. Museen können sich als Nutznießer wie auch als Verlierer der Technologie sehen: Während Verisart die herkömmlichen Museumsdatenbanken um die eben erwähnten Möglichkeiten erweitert, hebt Wunder.art hervor, dass Künstler*innen sich von etablierten Machtstrukturen im Kunstsystem, wie sie gerade die Kunstmuseen darstellen, befreien können. Das Wunder Museum ist ein dezentrales Blockchain-basiertes Kunstmuseum.

Museums are gatekeepers, blocking a democratic digital art market […] We are building the first Art-as-a-Service and Art-as-an-Asset infrastructure at the intersection of new media art, patronage, technology and art investments.” (10)

Die lange diskutierte Frage der Organisation von Nutzungsrechten digitaler Kunstwerke, erscheint durch die mögliche Abwicklung über dezentrale Anbieter gelöst. Artlery ist ein Künstler*innen-Netzwerk zur Vernetzung mit der Community. Die Plattform greift auf eine eigens entwickelte Kryptowährung mit dem Namen CLIO zurück, die durch Erschaffung, Ausstellung und die finanzielle wie ideelle Wertschätzung von Kunst geschöpft wird.

Was bedeutet Blockchain für die Kulturpolitik?

Blockchain wird interessant, um Urheberschaft und Provenienz nachzuweisen, für das Fundraising und die öffentliche Kulturförderung. Sie kann auch im Bereich kultureller Bildung unterstützend eingesetzt werden, um große Netzwerke zu aktivieren und etwa Künstler*innen und Schulen nach bestimmten Qualitätskriterien zusammenzubringen, am besten in einem Schwung mit der Finanzierung.

Auch wenn viele Fragen zu Effizienz, Skalierung und Rechtssicherheit noch lange nicht geklärt sind, fordert die Technologie Institutionen heraus, neue Lösungen zu entwickeln. Kulturpolitisch bedeutet das, sich mit der Technologie, dem Vokabular und den neuen Möglichkeiten der Prozessgestaltung zu befassen und ein Verständnis für die Chancen und Risiken zu entwickeln. Es gilt die Grundlagen zu schaffen, sinnvolle Anwendungsbereiche zu identifizieren und bereits im Vorfeld institutionen- und länderübergreifende Entwicklungsprojekte durchzuführen.

Die künstlerisch-kritische Auseinandersetzung mit der Blockchain aber auch ihr kreativ-schöpferischer Einsatz sind unterstützenswert. Es geht dabei um die Anregung eines gesellschaftlichen Diskurses über die Auswirkungen der Blockchain-Technologie. Ihre Veränderungskraft kann die Blockchain nur entfalten, wenn ihr Mehrwert für Individuen, Organisationen und die Gesellschaft dargestellt werden kann.


Literatur

GDI Impuls Nr.2 (2016) : Das Blockchain Manifest, Luzern: Gottlieb Duttweiler Institute für Wirtschaft und Gesellschaft

[online] https://issuu.com/gdi_impuls/docs/gdi_impuls_2_16_gesamtausgabe [08.08.2018]

Meinel, Christoph/ Gayvoronskaya, Tatiana/ Schnajkin, Maxim (2018): Blockchain. Hype oder Innovation, Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.

Voshmgir, Shermin/ Kalinov, Valentin (2017): Blockchain. A Beginners Guide.

[online] https://s3.eu-west-2.amazonaws.com/blockchainhub.media/Blockchain+Technology+Handbook.pdf [08.08.2018]

(1) vgl. Handelsblatt (2018): Das Blockchain Manifest und seine Abgründe

[online] https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/devisen-rohstoffe/krypto-kolumne/coin-und-co-die-krypto-kolumne-das-blockchain-manifest-und-seine-abgruende/21245486.html?ticket=ST-247400-UlhyT7zey4Gt5IT3bpcF-ap3 [08.08.2018]

(2) vgl. Meinel, Christoph /  Gayvoronskaya, Tatiana (2018): Onlinekurs vom 2. bis 16.07.2018 Blockchain: Hype oder Innovation? 

[online] https://open.hpi.de/courses/blockchain2018 [08.08.2018

(3) vgl. KPMG (2018): The Pulse of Fintech, 6.

[online] https://assets.kpmg.com/content/dam/kpmg/xx/pdf/2018/07/h1-2018-pulse-of-fintech.pdf [08.08.2018]

(4) Tapscott, Don / Tapscott, Alex (2017): Die Blockchain Revolution, Kulmbach: Börsenmedien AG, S.77. vgl. F.A.Z.(2017): Im Online-Staat gibt‘s keine Warteschlangen

[online] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/estland-ist-eine-vorzeigenation-bei-der-digitalisierung-15005575.html [08.08.2018]

(5) vgl. Grech, Alexander / Camilleri, Anthony F. (2017): Blockchain in Education, Luxembourg: European Union

[online] http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC108255/jrc108255_blockchain_in_education.pdf [08.08.2018]

(6) vgl. Grech, Alexander / Camilleri, Anthony F. (2017): Blockchain in Education, Luxembourg: European Union

[online] http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC108255/jrc108255_blockchain_in_education.pdf [08.08.2018]

(7) vgl. Tschmuck, Peter (2017): Die Musikbranche in der Blockchain

[online] https://science.apa.at/dossier/Die_Musikbranche_in_der_Blockchain/SCI_20171025_SCI76874352238775870 [08.08.2018]

(8) Tapscott, Don / Tapscott, Alex (2017): Die Blockchain Revolution, Kulmbach: Börsenmedien AG, S. 179.

(9) vgl. Wired (2018): Der Horror-Thriller Braid wurde per Kryptowährung finanziert

[online] https://www.wired.de/collection/life/braid-wurde-als-erster-film-mit-kryptowaehrung-finanziert [08.08.2018]

(10) vgl. [online] https://wunder.art [08.08.2018]

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